Ride on!
Du hast gerade angefangen, mit einem Mountainbike das Gelände und die ersten Trails zu erkunden – und deine Fortschritte sind in jeder Hinsicht riesig.
Alles machst du zum ersten Mal: Trails fahren, über Wurzeln, Stock und Stein rollen, kleine Absätze und Stufen bewältigen und viele weitere Erfahrungen sammeln, wie man technische Schwierigkeiten fahrtechnisch lösen kann.
Einiges lernst du schnell, anderes fällt dir schwer – aber es ist schon unglaublich, was man in drei bis vier Monaten als MTB-Anfänger so alles lernt. Trails, die dir am Anfang richtige Probleme bereitet haben, fährst du schon nach ein paar Monaten locker. Sofern du das Repertoire an Fahrtechnik entwickelt hast, das du dazu brauchst.
Aber dann stehst du eines Tages in irgendeinem Steilhang, z.B., oder vor einer schwierigen Serpentine und siehst einfach keine Möglichkeit, das zu fahren.
Hoffentlich steigst du dann rechtzeitig ab und versucht nicht, beim Fahren irgendeine Line zu treffen, die du beim Losfahren noch nicht gesehen hast, denn dann wirst du mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit stürzen.
Für manche Stellen brauchst du zur Bewältigung außerdem neben Erfahrung und Fahrpraxis auch mentale Stärke, sprich Selbstvertrauen, und die richtige Geschwindigkeit. Und das alles kommt nicht einfach so von selbst, sondern muss sich erst nach und nach entwickeln und basiert eben auf einer längeren Fahrpraxis.
Folglich ist es ganz normal, dass sich die anfänglich enormen Erfolge nach und nach abschwächen oder stagnieren. Manche Passagen wird du vielleicht auch nach einem ganzen Jahr Fahrpraxis immer noch nicht vernünftig fahren können, und das kann einen schon ziemlich frustrieren.
Mountainbiken ist ein unglaublich komplexer Vorgang – viele unterschiedliche Dinge – körperliche Bewegungsabläufe aber auch mentale Abläufe – müssen zueinander in Beziehung gesetzt und dann durch wiederholtes Üben verinnerlicht werden.
Ganz wichtig ist die richtige Einschätzung des eigenen Fahrkönnens, damit man sich weder über- noch unterschätzt – das mag sich leicht anhören, ist aber eines der schwierigsten Dinge überhaupt, wie ich finde.
Dazu kommt die Einschätzung der Tagesform, der Strecke, der Wetterbedingungen und auch der eigenen Ziele. Letzteres könnte bedeuten, nicht zu weit ans eigene Limit heranzugehen, das ist zum Beispiel eines der Ziele, die ich mir gesetzt habe.
Es ist also eine erstaunliche Menge Fokussiertheit und Aufmerksamkeit erforderlich, die man meist gar nicht bewusst wahrnimmt, die aber massiv über die eigenen Lernerfolge mit entscheidet.
Wenn es sich jetzt so anhört, als würde ich der Theorie den Vorzug geben – nein, überhaupt nicht!
Geht raus und sammelt soviel Fahrpraxis wie ihr könnt – und vor allem: lasst euch von Schwierigkeiten und den unvermeidlichen Stürzen nicht entmutigen!
Ich mag diesen Gruß unter Mountainbikern – „Ride on!“ – weil ich finde, dass er eine ganz wichtige Sache enthält – es geht darum, weiterzumachen, egal auf welchem Level man ist.
Deine Frustration darüber, dass es dir vielleicht auch nach zwei Jahren noch nicht gelingt, das Hinterrad zu versetzen oder dich an bestimmte Sprünge zu wagen, nicht zu groß werden zu lassen und stattdessen einfach weiter zu üben. Und Spaß zu haben!
Es ist merkwürdig, aber wenn du nicht aufgibst, passiert an irgendeinem Tag dann plötzlich das, was nie zuvor geklappt hat:
Du fährst den Steilhang, obwohl du vorher immer Probleme damit hattest.
Du fährst die schwierige Wurzelpassage, die du vorher immer verweigert hattest.
Du nimmst den Sprung/Drop/Kicker etc. der bisher für dich nicht fahrbar war.
Wow, was für ein geniales Gefühl du danach haben wirst! So eine intensive Freude, was für ein großer Triumph! Du bist drei Meter groß, fühlst dich wie ein Crack, bist unbesiegbar!
Nur, um irgendwann danach festzustellen, dass da eine neue Kurve ist, die du noch nicht fahren kannst, ein neuer krasser Steilhang, und ganz neue Herausforderungen…;-)
Und so geht es weiter…und immer weiter… und es wird immer neue Schwierigkeiten zu entdecken geben.
Ab und an wird dich ein Sturz auch mal ganz schön Zeit und Nerven kosten und dich mental und körperlich zurückwerfen. Dann fängst du eben an, etwas zu üben, was du vielleicht schon mal konntest. Kann passieren und passiert in der Realität oft.
Dann stehst du eben da, sagst dir „Shit happens!“ und machst von dort aus weiter.
Ride on, eure Ruhrblick!