Kindergeburtstag
Jetzt mal ganz ehrlich: sind wir Mountainbiker nicht alle ein ganz klein wenig bekloppt?
Kaum ist der Arbeitsalltag geschafft, ziehen wir uns, ungeachtet der Tatsache, dass wir dem Grundschulalter längst entwachsen sind, so bunt an wie geltungssüchtige Zierfische, holen unser mehr oder weniger sauberes MTB aus dem Keller, der Garage oder dem Wohnzimmer und kacheln mit kindlicher Freude und sonnigem Gemüt in den nächstgelegenen Wald hinein.
Es mag kalt sein, nass oder gar matschig. Egal. Sauber in den Wald rein, völlig eingematscht wieder raus. Die Waschmaschine freut sich, wenn sie auch mal laufen darf… hat ja sonst nichts zu tun. Meistens freut sich der Lebensabschnittspartner so richtig mit.
Übrigens ist es völlig egal, ob die Generation Ü40 unterwegs ist oder ein Grüppchen Mitte 20; gemeinsames Mountainbiken vervielfältigt den Spaßfaktor und verwandelt eine Gruppe disziplinierter und ernsthafter Erwachsener im Nullkommanix in eine Horde verspielter Kinder, die am Ende mit strahlendem Gesicht wieder zu Hause anlangen und mit sich und der Welt für eine Weile völlig im Reinen sind.
Es gibt natürlich aber auch die Sorte eisenharter Trailritter, die sich gegen kindliche Freude und Albernheiten jeglicher Art von vornherein streng verwehren. Da werden unter Einsatz des eigenen Lebens ausdrücklich nur die härtesten Trails gefahren, da wird der Gefahr und dem drohenden Abgrund mannhaft ins Auge geblickt. Absteigen an irgendwelchen übel verblockten S4-Spitzkehren im 45%igen Steilhang geht natürlich gar nicht, solche „Sissies“ werden entweder nicht mehr mitgenommen oder müssen wenigstens ihr Stravaprofil zu ihrer allgemeinen Schande von männlich auf weiblich umstellen…
Ein Freund von mir, der einmal bei einer derartigen Truppe mitfahren wollte, bekam zu hören, man gebe sich ungern mit Anfängern oder mäßig Fortgeschrittenen ab und ein Hardtail könne man ja wohl kaum als approbates Trailbike bezeichnen. Ein Fully mit ordentlich Federweg müsse es schon sein. Überhaupt sei das, was man fahre, kein Kindergeburtstag! Was für eine Ansage…
Ja, ich frage mich ernsthaft, wenn Mountainbiken kein Kindergeburtstag ist, was ist es denn dann?
Ist es knallharter (Extrem-)Sport? Zugegeben, wenn man professioneller Lizenzfahrer ist, ein ganzes Team hinter einem steht und konkrete Erwartungen an einen gestellt werden, oder auch, wenn man – egal ob in einem XC- , Enduro- oder DH-Rennen – unbedingt aufs Podium kommen will, dann wird man die sportliche Ambition verständlicherweise höher bewerten als das eigene Vergnügen.
Trotzdem finde ich es äußerst interessant und aussagekräftig, wie viele Downhill-Pros und World-Cup-Fahrer zum Beispiel offen zugeben, dass „Spaß“ nach wie vor der wesentliche Faktor ist, der sie zu ihren Höchstleistungen bei den Rennen befähigt und das bei vielen über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Schaut euch mal Ausnahme-Sportler wie Greg Minaar oder Rachel Atherton an, beispielsweise. Nur weil der Sport ihnen emotional und mental soviel gibt, erscheint das Risiko, das auf World-Cup-Niveau eingegangen werden muss, letztlich tragbar.
Wenn ausschließlich „vernünftige“ Ziele eine Rolle spielen – etwa, den Anforderungen der Sponsoren gerecht zu werden, regelmäßig messbare Leistungen und Erfolge zu erbringen oder schlicht und einfach Geld zu verdienen, ist es mit der Motivation, sich einem solch hohen Verletzungsrisiko auszusetzen, oft ganz schnell vorbei.
Für uns, die wir rein zu unserem eigenen Freizeitvergnügen im Wald mit Mountainbikes unterwegs sind, ist der Spaßfaktor aber erst recht absolut unverzichtbar und zwar unabhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad und Charakter der gefahrenen Tour.
Natürlich sind einige ambitionierter als andere und es gibt tatsächlich Trails, die wenig Fehler verzeihen, weil sie ausgesetzt, extrem steil oder einfach sehr verblockt sind. Wenn ich in meiner Freizeit das Risiko eingehe, mich auf solchen Trails zu bewegen, dann sollte ich das doch wohl vor allem tun, weil es mir Freude bereitet und ich solche Strecken fahren möchte, oder? Und auch, weil die Herausforderung für mein Fahrkönnen passt.
Beim Mountainbiken, gerade dann, wenn man schnell Fortschritte machen möchte, ist es meiner Erfahrung nach extrem wichtig, immer auf das eigene Bauchgefühl und den Spaß an der Sache zu achten. Mit Verbissenheit erreicht man ab einem gewissen Level wenig bis gar nichts. Wer schwierige technische Trails wie eine reine Mutprobe ansieht und wenig Freude am Befahren solcher Strecken hat, wird vermutlich sogar mit der Zeit eher Angst aufbauen und nach dem kleinsten Sturz mentale Blockaden entwickeln.
Warum nicht lieber offen zugeben, dass wir das, was wir mit unseren Mountainbikes im Wald veranstalten, ausschließlich zum eigenen Vergnügen tun, ganz unabhängig davon, auf welchem Fahrlevel wir uns befinden? Alles andere ist Zeitverschwendung.
Wie ihr sicherlich schon gemerkt habt: ich finde das Konzept „Kindergeburtstag“ klasse, wenn es ums Mountainbiken und ums Trailriden geht. Sogar gerade, wenn es um schwierige bzw. technische Trails geht und ich kann euch dafür ein paar gute Gründe nennen.
Es mag in der Tat ein wenig albern sein, aber sobald ich ein fetziges Mountainbike-Trikot anhabe und mein Enduro oder Trailbike unterm Popo, schaltet mein Hirn um auf „Spaß“. In dieser Verfassung fahre ich Trails spielerisch und unverkrampft und freue mich riesig, wenn ich Fortschritte mache, setze sie aber nie voraus. Der Lernerfolg passiert dann oft „einfach so“, nämlich situativ und ungezwungen.
Da brauche ich niemanden, der mich antreibt oder mich hinterher lobt. Wenn ich einen Trail zu meinem eigenen Vergnügen fahre, reicht mir das völlig.
Und wenn meine Freunde dabei sind und wir alle gemeinsam Spaß an unserer Tour und den Trails haben, später irgendwo einkehren und uns vor Lachen darüber, wie sehr wir uns eingematscht haben, nicht einkriegen bzw. uns noch mal ausführlich über unsere Trail-Abenteuer auslassen, dann ist sicherlich eine ganze Menge kindlicher Freude im Spiel.
Das trifft genau meine Vorstellung von einem gelungenen Tag auf dem Mountainbike.
Also, ich finde, lasst euch nicht erzählen, wie Mountainbiken zu sein hat und was man alles draufhaben muss.
Findet lieber selbst heraus, was ihr fahren wollt bzw. was euch Spaß macht. Und sucht euch Gleichgesinnte, die eine ähnliche Sichtweise haben wie ihr.
Dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Eure Ruhrblick