To be or not to be….
In the flow
Sagen wir, du fährst gerade auf deinem Mountainbike einen Trail runter, so schnell, wie du es dir zutraust und wie es deine Erfahrung und deine Fahrtechnik erlauben.
Vorhin hast du noch am Traileinstieg gestanden, hast, bevor du in den Trail gestartet bist, kurz vorweg genommen, was der Trail bereit hält: die eine fiese Kurve, ein paar Sprünge, das Wurzelfeld weiter unten etc.
Dann, ganz plötzlich, entscheidest du dich zu fahren, gibst Gas, die Gravitation kommt dazu und du spürst die Beschleunigung und gehst in der Bewegung auf.
Auf einmal gerätst du hinein… in den Flow.
Obwohl du gerade mit Tempo auf eine enge Kurve zusteuerst, bist du auf einmal ganz ruhig. Es ist, als würden Körper und Bike von selbst wissen, was zu tun ist – alle Vorgänge laufen scheinbar ganz unbewusst ab, jede Bewegung passt, jeder Impuls kommt wie von selbst. Du denkst an nichts Konkretes, willst nichts Bestimmtes außer weiter diesen Trail fahren. Der Geist ist ruhig, da ist kein Stimmenwirrwarr im Kopf, nur die tiefe, intensive Freude am Erleben dieses Moments. Pures Glück.
Wenn dich nichts aus diesem Zustand herausreißt, endet der Flow erst am Ausgang des Trails. Manchmal endet er auch schon vorher: sei es, dass du abrupt bremsen musst, weil ein Baum quer liegt, sei es, dass dir eine Wandergruppe entgegenkommt, oder sei es auch, dass dein bewusstes Denken sich auf einmal einschaltet, weil da eine Stelle auf dem Trail ist, die dein Fahrkönnen übersteigt.
Vielleicht hebst du dann dein Bike über den quer liegenden Baum oder du hältst kurz an, um die Wanderer passieren zu lassen oder du schaust dir noch einmal genau die Schlüsselstelle an, fürs nächste Mal, und dann fährst du den Trail weiter und kommst vielleicht wieder in den Zustand des Fließens zurück.
Manchmal ist man aber auch „raus“ aus dem Flow. Dann nimmst du dich, die Einzelheiten des Trails und die Details deiner Fahrtechnik wieder wahr. Vielleicht ärgerst du dich dann, dass du die eine Stelle doch noch nicht gemeistert hast und analysierst, woran das liegt. Dann bist du definitiv nicht mehr im Flow.
Im Flow ist alles zusammengefasst: der Trail und seine Umgebung, der Fahrer und seine Fahrtechnik, das Bike und seine Geschwindigkeit. Alles ist eins, alles fließt miteinander in der einen Bewegung, und du – der Fahrer – findest dich erst wieder, wenn der Flow dich verlässt oder du ihn.
Bis dahin bist du aufgehoben in einem erstaunlichen Moment glücklicher Selbstvergessenheit.
Es ist natürlich nicht so, als würdest du nichts tun. Schließlich fährst du das Bike, steuerst es durch die Kurven, drückst es in die richtige Richtung, gibst Impulse, die es in die Luft bringen und deine Wahrnehmung ist hochkonzentriert auf das Wesentliche.
Aber: es ist eine Wahrnehmung, die gerade nicht im bewussten Denken abläuft, und das ist der entscheidende Faktor.
Wie du den Trail fahren willst und wie schnell – das hast du eigentlich alles schon vor dem Start entschieden. In dem Moment, in dem du in die Abfahrt einsteigst, kannst du dich auf diese Weise auf die Abläufe konzentrieren, die rein mit dem Fluss der Bewegung auf dem Trail zu tun haben. Natürlich greifst du dabei ständig auf deine Erfahrung und dein Fahrkönnen zurück. Aber eben nicht bewusst. Sondern unbewusst, und das macht dich unglaublich schnell in deiner Reaktionsfähigkeit – und nebenbei auch erstaunlich glücklich.
Das ist vielleicht einer der Hauptgründe, überhaupt mountainbiken zu gehen.
Und: manchmal kann man ein Flowerlebnis sogar teilen und das ist dann immer ein ganz besonderer Moment, den man nicht so schnell vergisst.
Wer mehr dazu lesen mag, dem empfehle ich übrigens wärmstens das Buch von Harald Philipp und Simon Sirch: Flow. Warum Mountainbiken glücklich macht. Es ist nicht nur gut und unterhaltsam geschrieben, sondern zeigt die verschiedenen Aspekte des Flow-Phänomens auf. Unter anderem wird darin erklärt, was eigentlich hirnphysiologisch passiert, wenn wir in den Flow geraten – und das ist eine wirklich ganz erstaunliche Sache… für mehr Infos schaut einfach mal rein ins Buch, es lohnt sich!