Unterwegs in Richtung schottische Highlands
Man kann die schottischen Highlands auf viele Weisen erreichen, per Flieger, per Schiff, per Bahn und alles hat durchaus seine Berechtigung, vor allem, wenn man als Backpacker oder mit leichtem Gepäck unterwegs ist. Wenn man aber vorhat, drei Wochen dort zu verbringen und vor Ort mit dem eigenen Mountainbike unterwegs sein möchte, nimmt man meist ohnehin soviel Gepäck mit, dass sich eigentlich nur noch eine Fahrt mit dem Auto anbietet.
Zumal viele interessante Gegenden in Schottland, vor allem im äußersten Westen und im Norden, dermaßen einsam gelegen sind, dass man ausschließlich mit dem Auto hinkommt.
Daneben gibt es tatsächlich noch völlig unbesiedelte Gebiete in Schottland, in denen man grundsätzlich keinen Handyempfang hat, in denen es nur schmale Schotterpisten gibt (die irgendwann auch aufhören) und die regelrechte Wildnisgebiete sind. Sehr spannend, aber ohne Auto kommt man da eben nicht hin.
Die Anreise mit dem Auto wird allerdings durch die rigiden Geschwindigkeitslimits auf britischen Autobahnen nicht gerade zum reinen Vergnügen. Die maximale Höchstgeschwindigkeit auf schottischen und auch englischen Autobahnen beträgt magere 70 Miles, das sind 112 km/h. Daher dauert die Strecke bis hoch zur schottischen Grenze ab Dover z.B. schon mal mindestens sieben Stunden, Staus nicht eingerechnet, die man im Großraum London regelmäßig erwarten darf.
Von der schottischen Grenze sind es dann nochmals knappe 300 km bis nach Fort William, der größte Teil davon Landstraße. Und was für Landstraßen! Dazu später mehr, denn die schottischen Landstraßen können schon eine verdammt spaßige Angelegenheit sein.
Folglich kommt man nach einem ganzen Tag Autofahrerei völlig erschöpft am Ziel an – oder man sucht nach einer Möglichkeit, die Fahrtzeit zu verkürzen.
Nach einigem Suchen fanden wir heraus, dass die Fährgesellschaft DFDS vom Amsterdamer Hafen Ijmuiden aus Fahrten nach Newcastle anbietet, was ja schon mal nahe an der schottischen Grenze ist. Man checkt um 15 Uhr ein, die Fähre legt um 17:30 ab und pünktlich um 9 Uhr am nächsten Morgen ist man ausgeschlafen in Newcastle und kann sich entspannt Richtung Highlands begeben. Das Vergnügen ist leider nicht ganz billig zu haben, ca. 100 € fürs Auto, ca. 200 € für die einfache Außenkabine (2 Pers.) und Kosten für die Verpflegung (Frühstück und Abendessen gehen extra, dafür kann man unter mehreren Cafés und Restaurants wählen). Zollfrei einkaufen kann man auch, vor allem Whisky und nochmals Whisky, nee…da fehlt kein „e“. Whiskey heißt es nur in den USA, die Schotten sind da etwas sparsamer.
Kontrolliert wird man übrigens gleich zweimal, einmal bei der Fahrt aufs Schiff, einmal im Hafen von Newcastle. Geht aber schnell und unkompliziert, ich muss sagen, dass waren die freundlichsten Zöllner und Grenzbeamten, denen ich je begegnet bin.
Einmal dem Zoll entronnen ist es dann Zeit, sich mit dem Phänomen des Linksverkehrs auseinanderzusetzen. Wir haben uns erst mal hinter ein Auto gehängt, dem wir folgen konnten, um aus dem hektischen Stadtverkehr von Newcastle herauszukommen.
Leider bog der dann aus Sicht unseres Navis falsch ab… und wir mussten uns durch mehrere Kreisverkehre hindurch, die natürlich auch von links, also im Uhrzeigersinn befahren werden, wieder auf den richtigen Weg zurückkämpfen. Irgendwann lernt man aber, sich nicht am Mittelstreifen sondern am linken Randstreifen zu orientieren, und dann geht es mit dem Linksverkehr eigentlich besser als erwartet. Nur Überholen ist schwierig, weil der Fahrer in einem deutschen Pkw selbst links sitzt und schlecht am Vordermann vorbeischauen kann. Den Job muss dann halt der Beifahrer übernehmen ;-).
Nach 20 km war übrigens die Autobahn zu Ende und unser Navi schickte uns fröhlich auf die erste über hundert Kilometer lange Landstraße Richtung Edinburgh, mitten durch die nordenglische Pampa.
Soviel dazu: die Strecke von Newcastle bis Edinburgh hat eine Länge von 350 km. Würde man eigentlich denken, dass man das in vier Stunden hinbekommt. Fehlanzeige, fünfeinhalb Stunden braucht man, wenn man gut durchkommt und keine einzige Pause macht. Wir haben sechs Stunden gebraucht, und das war schon ziemlich gut.
Um 16:30 Uhr waren wir somit endlich in An Gearasdan, wie Fort William auf Gälisch heißt, angekommen und konnten unser Quartier am Loch Linnhe beziehen.
Bereits die Fahrt in Richtung Highlands war stellenweise reichlich spektakulär und schottische Nebenstraßen können zudem äußerst spaßig zu fahren sein. Die meisten davon winden sich die ganze Zeit über mehr oder wenig verkurvt durch die schottische Landschaft und eröffnen teilweise wirklich atemberaubende Blicke auf die zahlreichen Lochs und die Berglandschaften. Ständig sieht man Touristen am Straßenrand sehen, die voller Staunen ihre Kameras zücken und versuchen, die viel zu große und beeindruckende Landschaft digital festzuhalten.
Davon abgesehen macht es regelrecht süchtig, Landstraße zu fahren, weil die Straßenführung sehr kreativ und für uns Kontinentaleuropäer reichlich unorthodox ausfällt. Häufig schießt man mit den erlaubten 60 Meilen (immerhin 96 km/h) über hohe Hügelkuppen hinweg, so dass man regelrecht glaubt, abzuheben. Richtig spaßig wird das, wenn man auf einer Single track road, einer einspurigen schmalen Straße unterwegs ist und mehrere Bodenwellen einen hintereinander mal in die Höhe und dann wieder in die Tiefe schicken. Man kann allerdings nur beten, dass sich kein Schaf oder irgendein anderes Lebewesen hinter so einer Hügelkuppe verbirgt, denn sehen kann man eigentlich absolut nichts…außer dem Himmel, bis man drüber hinweg ist. An einer solchen Stelle dachte ich zum ersten Mal…also wenn die Schotten in der Lage sind, derart spaßige Straßen zu bauen, wie sehen dann wohl erst die Trails aus, die sie hier haben? Aber ich greife ein wenig vor ;-).
Apropos Schafe…die Viecher sind hier in Schottland als potentielles Hindernis im Straßenverkehr einschlägig bekannt und wir haben auch schon Bekanntschaft mit freilaufenden Exemplaren gemacht, die völlig unvorhergesehen die Straße überquerten. Besonders problematisch ist es, wenn die Lämmer panisch ihren Muttertieren folgen und mit Bocksprüngen vorm Auto oder vorm Bike (haben wir schon gehabt!) landen. Außerdem sollen viele völlig resistent gegenüber Hupe und Lichtsignalen sein – also sollte man nicht gerade mit Vollgas auf so ein schottisches Wollwesen zusteuern, das könnte ziemlich schief gehen.
Einer von zahlreichen „Mutter-Kind-Wegen“ die es hier zur Zeit gibt. 🙂
Ein letztes Wort zum schottischen Straßenverkehr:
Hier leben und fahren unseres Erachtens die höflichsten Vertreter der Spezies Autofahrer, die wir bisher kennenlernen durften. Es ist tatsächlich so, dass die Schotten links am Straßenrand anhalten (natürlich links!), wenn hinter ihnen ein schnellerer Fahrer vorbei will und dabei auch noch freundlich grüßen. Auf den Single track roads gibt’s keine eindeutige Vorfahrtsregelung für die zahlreichen Ausweichstellen, trotzdem funktioniert das Ganze reibungslos. Jeder grüßt höflich und bedankt sich und dann geht’s weiter. Sehr entspannt und stressfrei, einfach unglaublich.
Bis bald, Eure Ruhrblick!