Nevis Range
Eigentlich muss man in der Nevis Range bei Fort William zwei unterschiedliche Streckenbereiche unterscheiden:
Zum einen gibt es die Strecken, die sich im Bereich der Talstation der Gondelbahn durch die nahen Wälder ziehen und die man eher als Angebot im Rahmen eines normalen Trailcenters verstehen kann. Sie sind klassisch eingeteilt in grüne, blaue, rote und schwarze Strecken von einfach bis schwierig und sind frei zugänglich. Selbst der Parkplatz direkt an der Gondelbahn ist nicht kostenpflichtig, was ja schon mal sehr erfreulich ist.
Daneben gibt es zwei lange DH-Abfahrten von der Bergstation, für die man ein entsprechendes Ticket benötigt – beide führen um die 550 Tiefenmeter wieder zurück zur Talstation bzw. zum Parkplatz.
Eine der Strecken ist natürlich die berühmte DH-Abfahrt, die auch im Worldcup gefahren wird – teils richtig steil, extrem felsige Abschnitte, super technisch von oben bis unten. Big features, wie es auf den Warntafeln so schön heißt – und big ist hier wirklich BIG.
Die andere – das ist anscheinend britischer Humor! – gilt offiziell als XC Strecke, wird aber nach den ersten flowigen Kurven ebenfalls sehr technisch, enthält unerwartet lange und massive „rock sections“ und gibt einen deutlichen Vorgeschmack davon, wie die Worldcup-Strecke sich anfühlen würde.
Bevor man das Ticket kaufen und sich hochshutteln lassen darf, muss man erst mal eine Art Haftungsausschluss unterschreiben, in dem man bestätigt, das richtige Bike, die richtige Ausrüstung und die richtige Erfahrung für eine solche Strecke zu haben. Dann gibt man eine Kontaktperson an für den Fall, wenn man vom track geborgen werden muss und ganz entspannt kann es losgehen.
Kontrolliert in Bezug auf die eigene Ausrüstung wird man übrigens nicht und rein theoretisch könnte man sich mit einem Trailbike und Halbschalenhelm auf die Worldcup-Strecke werfen, was natürlich Irrsinn wäre. Sie erscheint auf den ersten hundert Metern vergleichsweise harmlos, danach steigert sich der Schwierigkeitsgrad immens und das bleibt dann auch so.
Jetzt aber zur gemütlichen roten Abfahrt – haha 😉 :
Der Einstieg befindet sich nicht direkt an der Bergstation sondern beginnt ein wenig weiter rechts, der Startpunkt ist ausgeschildert. Man hält das Ganze zunächst für einen spaßigen Trail, der über schöne, mitunter sehr lange Holzkonstruktionen (boardwalks) mit zahlreichen eingearbeiteten Stepdowns und Holztables den Hang hinunter führt.
Die fünf Steine, über die man am Anfang gefahren ist, sollte man aber eher programmatisch verstehen. Es wird nach einiger Zeit steiler, wenn auch nicht extrem steil, und von einem gewissen Zeitpunkt an fährt man gänzlich auf teilweise ziemlich verblocktem Fels. Hier sind Konzentration, sehr gute Fahrtechnik und ein Gefühl für fahrbare Lines gefragt.
Hat man sich den halben Hang mit voller Konzentration über die Felskombinationen gearbeitet, wird die Strecke wieder flüssiger zu fahren und schickt einen durch einige wunderschöne Steilkurven auf schönem losen Untergrund in den Wald. Hier wird es deutlich einfacher, von einem kleinen Steinfeld mal abgesehen. Eine kleine Schikane ist noch der Bach, den man über einen zerklüfteten Felsen überquert – das war heute die einzige Stelle, an der ich auf der Strecke mein Bike mal kurz verlassen habe, um ein Bad zu nehmen :-)…
Dann kann man entweder eine ziemlich langweilige geschotterte Forststraße abfahren – oder man wechselt auf die schon interessantere 4X-Strecke, die dort beginnt. Oder man hat noch Kraft und Konzentration übrig und wechselt auf die drei Jumplines der anderen Abfahrt, auch das ist möglich.
Definitiv sind die Strecken an der Nevis Range zu empfehlen, aber wie immer gilt auch hier; man sollte sich schon sehr gut einschätzen können und auf jeden Fall die rote Abfahrt vor der Worldcup-Strecke gefahren sein. Und ein für die Strecke taugliches Bike dabeihaben.
Übrigens, es ist schon putzig, wenn man vor Ort britischen Senioren begegnet, die natürlich auch alle mit der Gondelbahn hoch und dann selbstverständlich wieder nach unten fahren.
Alle sind total begeistert vom Downhill-Sport, machen unentwegt Fotos (auch von einem selbst, wenn man vorbeifährt, versteht sich) und feuern einen nach Kräften an. Eine 70jährige Lady fragte mich gestern super freundlich, ob sie ein Foto von mir machen dürfte. Ich muss ziemlich überrascht ausgesehen haben, aber als sie meinte, sie fände mein Outfit gut und wollte das Foto unbedingt ihren (vermutlich gleichaltrigen) Bikefreunden zeigen, konnte ich es ihr natürlich nicht abschlagen, und der ältere Herr daneben zückte auch gleich seine Kamera…
Kurios, oder?
Beginn der Abfahrt
Auf dem Weg ins Vergnügen
Boardwalk Empire 😉
…mit den ersten kleinen Steinfeldern
Ab hier wird’s richtig technisch…